FREIWILLIGE FEUERWEHR LICHTENBERG
Die letzte Sekunde ...
Da die Feuerwehren zumeist sehr unmittelbar mit dem Schrecken und Leiden
eines Verkehrsunfalles konfrontiert werden, möchten wir an dieser Stelle über
die gesamte Dramatik und auch die Grausamkeit eines Unfalles berichten.
Besonders ansprechen wollen wir jugendlichen im Alter zwischen 16 und 25
Jahren. Denn auf diese entfallen nicht weniger als 48 Prozent aller
Verkehrsunfälle mit Personenschaden. Die häufigste Unfallursache ist
überhöhte Geschwindigkeit; bei einem Drittel aller Fälle ist Alkohol im Spiel.
An einem Freitag ereignen sich statistisch gesehen die meisten Unfälle mit
Sachschäden, "todsicher" - im traurigsten Sinne des Wortes - ist man an
einem Samstag zwischen 15 und 21 Uhr unterwegs.
Der "Hauptdarsteller" heißt Friedrich, doch genauso gut könnte er anders
heißen - vielleicht genauso wie ...?
Sekunde Null
Friedrich fährt 90 km/h. Sein Auto wiegt 1.200 kg. Bei diesem Tempo stecken
im Auto
38.226 kg Translationsenergie (nach vorne in Fahrtrichtung strebende
Wucht). Das entspricht der Wucht einer aus 2.000 Meter Höhe abgeworfenen
250 kg Bombe, die mit einer Kraft (Gewicht) von 100 bis 300 Megapond (1
Megapond=1.000 kg) auf hartes Pflaster knallen würde. Friedrich tut von sich
aus noch 2.230 kg Energie hinzu, weil er 70 kg wiegt und auch 90 km/h fährt.
Soeben fährt er gegen einen Baum.
Sekunde 0,1
Das Zehntel einer Sekunde ist vorbei. Stoßstange und Kühlergrill sind
eingedrückt, die
Motorhaube beginnt sich zu kräuseln. Der Wagen hat etwa 5 km/h an Fahrt
verloren.
Friedrich fühlt sich deutlich nach vorne gedrängt. Neben seinem Gewicht, das
mit 70 kg Im Polster sitzt, hat er nun auch ein Gewicht nach vorne von 170
kg. Friedrich macht die Beine steif, um dieser Neuigkeit im wörtlichen Sinn
entgegenzutreten. Und er drückt gegen das Lenkrad, damit es ihn nicht aus
dem Sitz hebt. Mit den Beinen stemmt er rund 156 kg ab, mit den Armen
stemmt er auch so 30 bis 35 kg. Er hätte nie geglaubt, dass er so stark ist,
aber es gelang ihm, noch sitzen zu bleiben.
Da kommt der zweite harte Stoß. Noch ehe er sich besinnen kann, ist sie
vorbei, die
Sekunde 0,2
Die etwas härteren Teile des Fahrzeuges, Radaufhängung und Kühler, sind
soeben am Baum angekommen; die Verbindungen mit dem Wagen reißen
ab, denn der übrige Wagen fährt noch sehr schnell, insbesondere hinten mit
dem Kofferraum. Friedrich fühlt jetzt einen mächtigen Schlag auf den Beinen,
denn der Teil des Wagens, gegen den er sich mit den Füßen stemmt, wurde
soeben auf etwa 60 km/h abgebremst. Mit den Beinen stemmt er 350 bis 420
kg ab. Wollte er jetzt noch sitzen bleiben, müsste er mit den Armen 220 kg
am Lenkrad abstemmen, aber das schafft er doch nicht. Seine Kniegelenke
geben nach, sie brechen einfach knirschend oder springen aus dem Gelenk.
Und deutlich spürbare Gewalt zieht ihn mit seinem Gewicht von rund 140 kg
auf einer Kreisbahn nach oben in die Ecke der Sonnenblende. Alles in allem
verteilt Friedrich zurzeit insgesamt 413 kg Eigengewicht auf seine
Gliedmaßen.
Sekunde 0,3
Friedrich hat jetzt ein etwas leichteres Schicksal: Er ist mit Fliegen
beschäftigt, er ist noch unterwegs zu den Hindernissen. Seine gebrochenen
Knie kleben am Armaturenbrett, mit den Händen hält er fest das Lenkrad, das
sich unter seinem Griff elastisch biegt, und ihn um weitere 5 km/h abbbremst.
Sekunde 0,4
Friedrich ist noch immer unterwegs, sein Becken stößt gegen den
Lenkradkranz. Friedrich ist in diesem Moment nur etwa 100 kg schwer. Die
Lenksäule biegt sich unmerklich nach oben. Da kommt der furchtbare
Moment, indem der schwerste und stabilste Teil des Wagens, der Motor, an
den Baum kracht.
Sekunde 0,5
ist soeben vorbei. Motor und Friedrich stehen still. Nur der Kofferraum fährt
noch mit 50 oder 60 km/h. Die Seitenwände des Wagens überholen sich
selbst. Die Hinterräder bäumen sich hoch auf, zwei drei Meter hoch. Aber der
Wagen interessiert uns jetzt nicht: Was ist mit Friedrich in dieser Zeit
passiert? Friedrich kam im Verlauf einer Zehntelsekunde zum Stillstand. Sein
Gewicht wuchs auf 973 kg an. Mit dieser erbarmungslosen Gewalt wurde er
auf die Lenksäule geschleudert. Das Lenkrad, an dem er sich noch immer
fest hielt, brach unter dieser Stoßkraft zusammen wie ein
morsches Brezel. Mit der Kraft von rund 870 bis 920 kg (je nach Stärke des
Volants) dringt die Lenksäule als stumpfe Lanze in seine Brust. Gleichzeitig
rammt der Kopf mit einem betäubenden Schlag die Windschutzscheibe.
Hätte sich Friedrich nicht mit so übermenschlicher Kraft am Lenkrad fest
gehalten, dann würde er vielleicht auch 1.300 kg schwer geworden sein, in
diesem Moment. Und dabei wären ihm die festgeschnürten Schuhe von den
Füßen geflogen. Noch eine oder zwei Zehntelsekunden, dann ist Friedrich
tot. Nach sieben Zehntelsekunden steht der Wagen still. Das Unglück ist
vorbei. Sagen sie einmal" einundzwanzig" das ist eine Sekunde.
Und nun sagen sie bitte einmal
"zwanzig"
Das ist die Zeit in die Ewigkeit für Friedrich gewesen....
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